Archive for the ‘Programming’ Category

zügig ein Hilfsnetz spannen

September 13, 2023

Man kann sich ja nicht allen Katastrophen zuwenden. Dennoch: Irgendwie muss dringend geholfen werden! 
Für 909 Cents kannst Du meine fav Samples (542) und Loops (94) herunterladen und frei verwenden. Die insgesamt 720 Megabytes eigenen sich zum Verzieren Deiner Produktionen, zum Beatbasteln, um Neugierde zu entfachen und selbstverständlich auch, um auf dem Samplepad getrommelt zu werden. 
Vor allem unterstützen sie die Arbeit der Ärzte ohne Grenzen.
Bestelle (bzw. überweise) via Paypal an o@olirubow.de und ich versorge Dich postwendend mit dem Download-Link.
Für all diejenigen, die schon ein Tässchen oder Kännchen meiner Samples bestellt hatten, gibt’s den aktuellen Nachschlag (mit Samples der letzten Fernreisen und aus dem Archiv – von Rubeau, über Tiflis und Taschkent zu Hirnströme und Recording Highlights, 350MB) für 4 Euro.
Selbstverständlich darf gerne auch mehr bezahlt werden. Ab 20 €  bekommt man ja eine offizielle Spendenquittung. In diesem Fall bitte gerne die Spende selbst & direkt vornehmen (und mich einfach via Mail informieren.)

Im Beipackzettel sind alle Klänge verzeichnet: 

Und hier eine kompakte Minute zum Einhören ins Gebinde:


mobile beats

September 5, 2023

Ein schönes Bild. Wieder mal aus „Dancing to the Drum Machine“. Voll Achtziger, Walkman Ära. Vermutlich mit dünnen, orangenen Schaumstoffpolstern auf Albinis Ohren:

>>…a battery-operated Roland TR-606 drum machine the thin young man carried in a vinyl case slung over one shoulder. „I was captivated by it,“ recalls Steve Albini. „I would listen to the rhythms as though they were a complete piece of music. I wore that drum machine like an accessory, with headphones, and I would just walk around campus. I would spend all day, editing and manipulating a drum pattern until it was satisfying to listen to on its own.<<
Ein ortsungebundener Soundtrack aus purem elektronischen Rhythmus, den Rest ergänzt die Fantasie.

Unter „mobile beats“ verstehe ich aber nicht nur die Kompaktheit und Mitführbarkeit des elektrifizerten Grooves, sondern auch seine Wandlungsfähigkeit.

Diesbezüglich veranschaulicht Navi D am Beispiel Kendrick Lamar wie sich das typische „90s Beat Formula“ (Jazz/Soul Sample + Break = Beat) modernisieren lässt.
Sample ausdünnen, „kleiner machen“ (mittels EQ, Mono-Knopf), dafür schön breit in den Vordergrund mischen.
Zudem wird die Idee der vorlaut programmierten Drumsounds (schneidende Hihats, gelayerte Snares, fette Kicks und viel Kompression) umgekehrt. Heutige Hiphop Drums dürfen gerne mal leiser, dunkler („less bright“), herunter gepitcht und „boomy“ sein, dank Transient Designer schließlich mit gekürztem Ausklang. 
Und für die Atmosphäre zwischen den einzelnen Schlägen bzw. als verbindender Klebstoff fürs tonalen Sample eignen sich synthetische rhythmisch Strukturen.
Ausprobieren!
Letztlich geht’s immer um ein gelungenes Blending.

Drummer & Operator

Juli 29, 2023

In Bezug auf elektronische Musikinstrumente und Helferlein geht es mir heutzutage vor allem darum, dass ich vollkommen frei und spontan agieren kann, das Bauteile im Idealfall meinen Launen folgen (und nicht umgekehrt). Oder um es kulturtechnisch zu formulieren: ich arbeite leidenschaftlich daran, Friedrich Kittlers Einschätzung >>Letztlich passen wir uns der Maschine an, nicht die Maschine an uns<< Paroli (hehe, gutes Wort mit persönlichem Bezug…) zu bieten.
Dennoch geht’s im Folgenden um Zuspieler-Optionen für die Bühne.

Angefixt von Flo Königs aktueller Cro-Ableton-Schaltzentrale und der (zufällig in einem Beitrag von Joe Clegg entdeckten) LIOBOX, einem kompakten MIDI-Controller mit Display, der die Computerfernsteuerung ohne Blick auf selbigen erleichtern soll, möchte ich meine Gedanken zur Doppelfunktion von Drummer und Playback-Operator (oder gar dem Schlagzeuger als speziellem Musical Director) sammeln.

Im Jahr 2023 gerne im Einsatz:

1. Kompakt, weitverbreitet (in puncto Notfall nicht unwesentlich), on box for all: nach wie vor das Roland SPD-SX
[Stereo-Playback + separater Click, Setlist-Funktion via Chain, plus vollwertiges Edrum, das mit eigenen Samples befühlt werden kann]
Ist mir für Zuspielungen jedoch zu fummelig. Ich setze es entweder als Edrum und/oder trommelbaren MIDI-Controller ein

2. Logic Pro, Laptop und Interface (je nach Modell: mehrere Stems/Gruppen/Mixe rausschicken)
[Setlist via (Sprung-) Marker]
Ich bin ein Gewohnheitstier (und möchte auch nicht allzu viel Zeit in Bedienungsanleitungen und Tutorials inverstieren), so dass ich in Bezug auf weitgehend fixe Arrangements, die Zuspielung mit immer mit dem vertrauten Logic löse (nie mit der immer links liegen gelassenen Arrangement View von Ableton)

3. Ableton Live, Laptop, Interface (und Controller)
a. Session Mode
[Setlisten-Sprünge und cues via Szenen-Befehle – my cup of tea]
b. Arrangement Mode

4. Advanced:
a. Sync (Link oder MIDI-/Audio-Clock)
b. Fernsteuerung: Programm Changes (um Presets im Spd-SX, in der Keyboardburg oder auf dem Pedalboard umzuschalten, um Autotunes für die Stimmen zu steuern), Timecode (für Licht/Video/Pyro oder den Teleprompter), Netzwerkverbindungen für den Datenaustausch
c. redundante Rechner-Systeme von Radial oder iConnectivity
d. kommentierte Clicktrack-Spur für mich und andere (ausgesprochene Formteilwechsel, Anfangston für den Gesang usw.)
e. Max Patches/M4L selber programmieren à la Abletondrummer Tobi

In Bezug auf verschiedene Live Set Ups wäre doch mal ein Round Table mit Flo König, Philo, Grabi, Fred Michel, Bertil und diversen anderen aktuellen Drummer-OperatorInnen toll!
Ein Überblick über die persönlichen Erfahrungen, Lifehacks, Show-Saver, pragmatische Workarounds, zu vermeidenende Nogos und vor allem konkrete Tipps, wie die jeweils steuernde Software programmiert wird.

Ambassador des Gesamtklangs

Mai 30, 2022

Kaum ist man wiedermal unterwegs, türmen sich spannende Themen in der Smartphone-Fotoecke auf. (Jeglicher Inspirationsfetzen wird abfotografiert; Social Media Beiträge, Buchseiten, Spotify-Highlights…)

Jost Nickel fragte seine IG-Blase nach Songs mit Tom-Grooves, ich habe daraus gleich eine Spotify-Playlist gestrickt (weil mir das Thema auch am Herzen liegt, siehe The Four Tom 🙂


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Ich spreche gerne über die Notwendigkeit unserer (Lautstärke- und Feel-) Balance hinterm Kit, über das Blending der verschiedenen Instrumente. Russ Miller nennt es „our mix“:

Zur besten Überprüfung: Kunstkopfmikros in die Ohren oder ein Stereopärchen in ähnlicher Position aufstellen – aufnehmen. Das bringt’s bzw bringt mich einem meiner Ziele immer wieder näher, irgendwann den Credit „Ambassador des Gesamtklangs“ mitzuführen…

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Während meiner Zugfahrten bin ich in den dicken Ziegel „Dilla Time“ eingetaucht.
Toll, zum Buch gibt es eine begleitende Playlist. Noch toller, der Inhalt mit so vielen (mir neuen) Details und Zusammenhängen. Große Inspiration!

Weil nicht in obiger Liste vorhanden, hier die erste VÖ des Meisters, 1st Down „Front Street“ (1995)

>>James loved making music on machines, but he understood by now that music lost something when the machines took over: the unpredictability of a human playing an instrument that told you it was a human being playing it. It was, after all, why producers looped breakbeats: to bring the ghosts of real drummers into their machines. There was no way a drum machine could re-create the subtle playing of Clyde Stubblefield’s performance on „Funky Drummer“<<
Übrigens, bevor sich J Dilla schöpferisch hinter die Maschinen (Sp-1200, Akai MPC) konnte, war das sogenannte „pause tape“ ein erschwingliches DIY-creative-tool und auch seine Wahl Beats zu bauen.

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Obwohl ich letzte Woche einiges vorzubereiten hatte – die Nils Wülker Best Of Show mit vielen Gästen und das Luminos W Konzert mit Gästen – bin ich endlich mal zum Ernst May Musterhaus geradelt. Quasi um die Ecke meines Proberaum, war es längst an der Zeit. Und auch hier wirkte die (100 Jahre alte) Klar- und Kompaktheit des Wohnungsbauprogramms „Neues Frankfurt“ äußerst inspirierend. Nicht zu Letzt die dafür geschaffene legendäre Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky. Die grundlegende Idee dieses Arbeitsraum kann übrigens eins zu eins auf Drum Setup übertragen werden: kurze Wege, die die Energie des Schaffenden fürs Wesentliche erhalten, blau-grüner Anstrich, um Fliegen zu vermeiden…

Und ähnlich bunt wie die Farbgestaltung im Ernst May Haus, wird mein Juni 🤩

02.06.22 „Der temporäre elektronische Salon feat. Hans Glawischnig“ Frankfurt, Yachtklub
03.06.22 „Netzer“ Stuttgart, Bix
04.06.22 „the beat goes on“ mit DJ Michael Rütten“ Offenbach, Filmklubb
09.-11.06.22 Backbeat Drum Festival, Vogtsburg im Kaiserstuhl
16.06.22 „DePhazz“ Frankfurt, Fortuna Irgendwo
17.06.22 „DePhazz“ Koblenz, Festung Ehrenbreitstein
19.06.22 „Gregor Praml trifft Oli Rubow“ Frankfurt, Mousonturm
26.06.22 „Fola Dada“ Kirchheim u. Teck, Bastion
30.06.22 “Der temporäre elektronische Salon“ Frankfurt, Ono2

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>>Die Zukunft, die wir wollen,
muss erfundenwerden.
Sonst bekommen wir eine,
die wir nicht wollen.<<
Joseph Beuys

New Hattler Remix Album

März 12, 2022

Durch meine Mitarbeit am Hattler Album „Mallberry Moon“ vor 20 Jahren hatte ich nicht nur alle Files auf meinem Rechner, sondern auch große Lust klassische Remixes aus diesen wunderbaren Songs zu basteln. Also, erstmal alles rausschmeißen, bis auf die Stimmen und Hooks. Dann Neuaufbau mit Maschinen und eigenem Ansatz. Heute hört man meine damalige Begeisterung für Hip Hop und Broken Beats (New Sectors Movement, Jazzanova), für Electro-Pop à la Zoot Woman und einen äußerst reduzierten Minimalismus. Gearbeitet wurde seinerzeit mit einer Sequential Drumtraks Rhythmusmaschine, der Vermona DRM1, einem TX-7 für die Bässe und dem Roland JX-3P für analoge Wärme.

Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, dieses verstaubte Perle zu polieren, sie in der dunklen Zeit leuchten zu lassen und den eingefleischten Hattler-Fans eine Freude zu machen. 

Vor allem soll auch bei dieser Aktion der vollständige Erlös für humanitäre Hilfe an Ärzte Ohne Grenzen gespendet werden!
Hört und helft:

Mit Hellmut Hattler (b, voc), Sandie Wollasch (voc), Nkechi Mbakwe (voc) Sebastian Studnitzky (tr), Torsten DeWinkel (sitar), Andrea Rubow (quick cover RMX), yours truly: beats

Kunstwerkzeug

Mai 31, 2021

Nachdem die Nürnberger Musikhochschule eine Juniorprofessur für Künstliche Kreativität und Musikalische Interaktion ausgeschrieben hat, wollte ich dieses Spannungsfeld einmal überdenken.
Denn auch mein Spielplatz hat sehr viel mit der Zusammenwirkung von Mensch und Maschine zu tun und meine elektronische Umgebung wurde längst aus der Rolle der simplen Zuspielung befreit. Erklärtes Ziel ist seit geraumer Zeit, komplett frei und unbekümmert mit dem eigentlichen Instrument zu agieren, wobei ein zusätzlicher ästhetischer Mehrwert einerseits, kreative Prozesse anstupsende Zufälle andererseits, durch die mir folgenden Computerwelt entstehen können.

Und tatsächlich ließe sich mit KI auch mein „Vom Zitat zum ich“ Konzept eins zu eins umsetzen, also den Rechner mit Musik-Highlights und lieb gewonnenen Patterns füttern, auf der dass er dieses Vokabular in einem zweiten Schritt zu etwas Eigenem, Neuem zusammensetzt.
Puh, das fühlt sich beim Tippen etwas unheimlich an. So beruhige ich mich erstmals mit einem Zitat von Gilles Deleuze und Felix Guattari, das ich gestern Abend in den Soundcultures (auf Seite 14) und hier in der taz gelesen hatte und vertraue auf den kleinen, aber signifikanten Unterschied der persönlichen Selektion und Anwendung:

>>Findet die Stellen in einem Buch mit denen ihr etwas anfangen könnt. Wir lesen und schreiben nicht mehr in der herkömmlichen Weise.<<
>>es gibt keinen Tod des Buchs, sondern eine neue Art zu lesen. In einem Buch gibt’s nichts zu verstehen, aber viel, dessen man sich bedienen kann. Nichts zu interpretieren und zu bedeuten, aber viel, womit man experimentieren kann.<<
>>In einem Buch gibt’s nichts zu verstehen, aber viel, dessen man sich bedienen kann. Das Buch ist kein Wurzelbaum, sondern Teil eines Rhizoms, Plateau eines Rhizoms für den Leser, zu dem es passt.<<

Nun kann ich auch beginnen, mich einzulesen, auf den Seiten des BR („Wenn Computer komponieren„) und der Bundesregierung („KI spielt die Musik„), immer mit der Frage im Hinterkopf „Kann Künstliche Intelligenz kreativ sein?
Es wird wohl eine Reise werden:

Fehlfunktion nicht als Problem, sondern als neuen Ausgangspunkt betrachten

Mai 17, 2021

Steve Reichs „Phasing“ Gestaltungsparameter entstand 1964/65 bei der Arbeit zu „It’s gonna Rain“ mit zwei gleichen Tonbandschleifen, welche zwar simultan gestartet werden, dennoch auf zwei (einfachen/billigen) Bandmaschinen relativ bald auseinander laufen, um sich schließlich wieder zu treffen.

»Reichs entscheidende Leistung bei der Arbeit an „It’s gonna Rain“ ist es, die Unregelmäßigkeiten, die beim Tonband-Betrieb auftraten, nicht als Problem, sondern als Ausgangspunkt eines Werkes zu betrachten, das genau diese „Fehlfunktion“ der Apparate zu seiner Stärke macht.« (Tilman Baumgärtel, Schleifen, Seite 254)

Und im nächsten Schritt wird das Prinzip der Phasenverschiebung auf musizierende Menschen übertragen (reverse engineering). Dabei genügt eine eintaktige Phrase (Minimal Music), die von zwei Spielern unisono gestartet wird. Während sich einer der Spieler das Tempo konstant hält, spielt der zweite Spieler in einem minimal schnellerem Tempo und so entseht für Reich »a compositional process and a sounding music that are one and the same thing.«
Also ein Loop mit folgendem Verlauf ||: Gleichklang, Echo, Dopplung, Chaos, Annäherung :||

Hier eine Visualisierung von Reichs „Piano Phase“ (1967)


Übertragen auf das Schlagzeug, lässt Justin Heaverin auf Instagram drei synchron gestartete Buff-Tschak Grooves in den Tempi 119, 120 und 121bpm phasen:

Drei kleine Übungen dazu:

1. Starte mal zwei Metronome (Apps) gleichzeitig: zunächst im selben Tempo (flam?), dann mit leicht unterschiedlichen BPM Einstellungen. Und freue dich über den Moment, wenn sich die Pulsschläge wieder (kurz) decken.

2. Lass einen programmierten Viertelpuls laufen (Drum Machine, Metronom, zur Not auch diese Endlosrille) und setze dich trommelnderweise auf den Beat. Jetzt versuchst du einen Ticken langsamer (schneller) zu werden und rastest dein neues Tempo ein. Dann spürst du, wie dich der Originalpuls überholt (wie du den Originalpuls überholst).

3. Aufnehmen und Basteln: nimm eine kurzen Groove auf, ziehe in ihn die DAW, schneide einen eintaktigen Loop und kopiere diesen (ein, zwei mal). Die Kopie(n) wird nun schneller/langsamer gerechnet (mit dem Parameter der in den Outboard Samplern Timestretching genannt wird).
Dann alle mit derselben „eins“ auf Anfang und los…

Sowie einen Ableton Song, der das Phasing durch zwei unterschiedlich schnell eingestellte Digital-Delays mit unendlicher Wiederholung entstehen lässt (hilfreich dafür, der bpm ms Umrechner):

Equipment Talk(s) – ein 19 Zoll Gespräch der fantastischen Art. Oder halt: Ode an das Boss Space Echo

September 2, 2020

Ich glaube es war der Instagram Post von Stewart Copeland, ein kurzer Konzertausschnitt mit ihm und Stanley Clarke, der mich an das Album „If this bass could only talk“ erinnern ließ. Jene CD, die in den Neunziger gefühlt von jedem zweiten Tontechniker zur Einstellung der PA eingelegt wurde. Normalerweise krame ich nach einem solchem Wink direkt das erwähnte Werk hervor und erfreue mich an gehörter Nostalgie und schönen Erinnerungen. Erst recht, wenn der einzige Albumtitel mit dem Police Drummer „Stories to tell“ heißt und Allan Holdsworth darüber soliert. Doch diesmal war der bloße Titel stärker und ließ meine Gedanken in völliger Stille über Clarkes gehegtem Wunsch kreisen.
„If this instrument could only talk“.
Gut, ich beschäftigte mich an diesem Abend ohnehin schon mental mit „special gear“, denn das Internet spülte mir zufällig den zum Verkauf angebotenen DX-7 von Prince entgegen für das Echodrums Buch mussten eben noch jene Passage korrigiert werden, in der ich insgeheim meinen verflossenen Delaymaschinen nachtrauerte. Prompt gingen mir all jene Geschichten durch den Kopf, die in diesem Abschnitt keinen Platz mehr fanden: Was war der eigentliche Kaufgrund für dieses oder jenes Gerät, aber warum musste es, bzw. wohin durfte es ziehen? Aus welchem Grund hingegen durfte ein anderer Effekt bleiben? (Konnten wir vielleicht „besser miteinander sprechen““??)


Rückblickend lässt sich doch in jedem Pedal das Besondere finden, einen überraschenden, gar überzeugenden „Ghost in the Machine“ entdecken. Manches Equipment hat aufgrund seines hohen Alters oder seiner speziellen Herkunft musikgeschichtliche Relevanz, entlockt durch seinen Musikhaus-Sticker mit vierstelliger Postleitzahl ein Lächeln oder wühlt eine ganz persönliche Beziehungsgeschichte wieder auf. Gelegentlich sind noch die vom Vorbesitzer mehr oder weniger liebevoll gestalteten Einstellhilfen sichtbar, bunte Klebepunkte, klebrige Gaffa-Reste oder permanent markierte Striche für den persönlichen Best-Sound, fürs Optimum. In seltenen Fällen findet man gar im Inneren einer Maschine eine versteckte Botschaft, einen leidenschaftlichen Gruß an all diejenigen, die tief genug graben. Wie beispielsweise im Reverbtank des Roland Space Echo, wo auf dem Labelsticker zu lesen ist »Manufactured by beautiful girls in Milton, Wis. Under controlled atmosphere conditions«. 

Anyway, man behält nicht alles – Präferenzen werden abgewogen, Entscheidungen getroffen. An besagtem Abend entstand jedenfalls die traumhafte Vorstellung, dass eine ehemalige Instrumenten-Bekanntschaft über sein bewegtes Leben berichten könnte und noch einmal, inklusive seines derzeitigen Herrchens, zum gemeinsamen Jam zurückkehren würde.

Oh yeah! In meinem Fall müsste sich Blixa Bargeld mit meinem (alten) Lexicon JamMan Looper einfinden, der fantastische And.Ypsilon könnte mit dem Korg SDD-1000 dubben und Henrik Schwarz durch den Electrix MO-FX einen clubtauglichen Spannungsbogen formen. Ich würde dazu auf dem aquamarinblauen Tama Superstar 50 +1 Schlagzeug spielen – mein bisher schönstes Drumkit, das ich aber wegen eines monetären Engpasses aufgrund einer Tourabsage an den ursprünglichen Besitzer zurückverkauft hatte. Selbstverständlich würden komplett alle Kessel aufgebaut werden: 22, 12, 13, 14, 16, 18. Meine Wenigkeit, wie Lenny White mit Hut, stolz dahinter sitzen. Für diesen einmaligen Anlass hätte ich zudem all meinen Mut zusammengenommen und Neil Fraser kontaktiert, ob der Mad Professor vorbeikommen und meine Drumtracks mit seinem Roland SDE-3000 veredeln könnte – schließlich hatte ich diesen 19 Zoll Streifen einst angeschafft, weil es das ausgesprochene Lieblingsgerät des Dubmeisters ist. Spätestens dann wäre auch Pit Baumgartner (das DePhazz Oberhaupt) mit dem Vestax FDG-1 Kill Equalizer zur Stelle. Bestimmt auch Don Philippe vom Freundeskreis, um mal wieder sein altes Simmons SDS-V aus der Reserve zu locken. Zu guter Letzt würde ich den Krautrock Phaser (Schulte Compact Phasing A) von Dieter Seelow aufstellen – dessen Anwesenheit allein schon wegen der schicken roten Kontrollleuchte und der verströmten Studiowärme Sinn macht. 
Im Anschluß an die Session dürften meine Neumannstäbchen (KM85) und das Acousta-Pult (P100B) noch etwas aus dem Nähkästchen ihrer Fernsehvergangenheit plaudern (sie kamen ja vom ZDF bzw. aus dem ORF) und wenn all die Gäste schließlich ihren Heimweg angetreten hätten, gäbe es noch einen kurzen Anruf im Ludwigsburger Trommelmuseum, um sich nach dem Befinden von E-MU SP-1200 und Dr. Pad zu erkundigen. 

Schwer, sich aus solch angenehmen Nostalgiebad zu erheben, doppelt schwer, sich erneut von den ehemaligen klangmachenden Mitbewohnern zu verabschieden – seufz – aber hey, ursprünglich waren ja die liebgewonnen Delaymaschinen der Ausgangspunkt für diese Träumerei. Also soll auch dieser Erzählstrang zu Ende gebracht werden. 

Es kamen und gingen die Boutiquepedale, Top-Produkte gaben sich die Klinke in die Hand, nicht selten wurde (vermeintlich) heiligen Gralen hinterhergejagt, die dann um die halbe Welt geschippert werden mussten, dafür aber komplett (mit nach Keller riechender Originalverpackung) ausgestattet bei mir ankamen und dennoch oftmals meine in sie projizierten Erwartungen nicht erfüllen konnten. Neben all diesem Hin- und Her, einer Mischung aus rastlos neugierigem Testen und etwas aus dem Ruder gelaufener Gear-Mania, konnten sich tatsächlich zwei Kandidaten von der Stange behaupten, die mich nun seit einer gefühlten Ewigkeit begleiten – genau so, wie es sich für „das richtige Instrument“ gehört. 
Da wäre einmal das grasgrüne DL4 von Line 6, das ich zur Jahrtausendwende auf dem Schlagzeugteppich begrüßte. Eine große Digital-Kiste, randvoll mit geschmackvollen Presets (die alle gängigen Echotypen simulieren), drei hilfreichen Speicherplätzen und sehr musikalischer Interaktion von Delay-Time Poti und Wiederholungsregler. Zudem lassen sich die beiden Ein- und Ausgänge des Pedals als separate Mono-Kanäle verwenden, was mir den gleichzeitigen Live-Dub meines Schlagzeugs und einer weiteren Schallquelle, beispielsweise der Sängerin, ermöglichte. Mein „Delay Modeler“ wurde mehrfach modifiziert (Volume and Tone Mod, 2nd Preset Mod, High End Switch Mod), öfters auch professionell repariert (da vor allem der wichtige Tap Tempo Taster meiner Beanspruchung nicht dauerhaft stand hielt). 

Ein solcher Kuraufenthalt war der Anlass, dass ich mich im Jahr 2007 nach Alternativen umschauen wollte, daraufhin ein Boss RE-20 ins Haus holte, jenen digitalen Klon des gefeierten Roland Bandechos (Space Echo RE-201). 
Letztlich eine folgenschwere Aktion, denn dieses Pedal sollte sich über die Jahre zu meiner Nummer 1 entwickeln. Seit 2014 ist es tatsächlichlich, zusammen mit einem klemmbaren Sennheiser e604 Mikro und der Boss AB2 Box, gesetztes Handgepäckstück und bei jeder musikalischen Unternehmung mit dabei. 
Dabei gestaltete sich unser gemeinsamer Start äußerst zäh und holprig. Die Rahmenbedingungen waren eigentlich optimal – das Boss Pedal kann ebenso mit einer perfekten „2x Mono-Verkabelung“ punkten, auf Wunsch gar zwei getrennte Eingangssignale in einem einzigen, monophonen Ausgang vereinen, hat einen unkaputtbaren und tight übermittelnden Tap Taster, zusätzlich EQ und Hall mit an Board -, aber anfänglich kam ich mit der dem Original geschuldeten Gemütlichkeit bei Delaytempo-Verdrehungen überhaupt nicht zurecht – sie gestalteten sich komplett anders im Vergleich zum gewohnten DL4 und dämpften meine Euphorie gehörig. Nüchtern betrachtet ist dieser Umstand nicht verwunderlich, denn die beiden Tretminen bedienen unterschiedliche Konzepte. Die Line6 Stompbox will als Allrounder digitale, analoge und mechanische Echogeräte abdecken, wohingegen sich das RE-20 nur dem letztgenannten Delaytyp, dem Bandecho verschreibt, sich dabei auf ein konkretes Vorbild spezialisiert. Dennoch wurden immer wieder neue Anläufe mit den gewohnten Workflows gestartet und immer wieder mit leichter Enttäuschung quittiert, bis ich irgendwann endlich kapiert hatte, einen anderen Zugang zu der Maschine finden zu müssen. Auch wenn die krass verdrehten und zurückgetappten Rave-Signale des grünen Echos letztlich nie kopiert werden konnten, entdeckte ich diverse Besonderheiten und Vorzüge des kompakten Space Echos: Beispielsweise den simulierten Federhall, der sich ganz einfach zum Echosignal dazu drehen lässt, aber auch einzeln einsetzen lässt, bei viel Input-Gain zudem ein Sonar-Sound erzeugt, der dich direkt ins Triphop Bristol der Neunziger Jahre katapultiert. Desweiteren ein immer griffbereiter 2-Band Entzerrer (Equalizer), dank dem ich, trotz nur einem an der Snare befestigten FX-Mikrofons, wahlweise den Echoschwerpunkt auf Hihat, Snare oder Kickdrum ausrichten kann. Es gibt die „Twist“ Option, ein Gimmick, das man vielleicht nicht überstrapazieren sollte, das mir aber ab und an als One-Touch-Knob hilfreich entgegenkommt – bei gehaltener Tap Taste wird automatisch die Intensität des Feedbacks erhöht, gleichzeitig die Delaygeschwindigkeit verändert und die Ausgangslautstärke etwas heruntergeregelt. Und es gibt den Mode Selector, der sich durch gezieltes Verdrehen ebenfalls zum Musikmachen eignet. Die Boss-Kiste ist unglaublich robust – hier war noch keine Wartung nötig – und selbst wenn das passende Netzteil (öfter) mal die Anreise nicht überlebte, war dank der Batteriebetrieb-Option kein einziger Konzertabend in Gefahr. 

Um an dieser Stelle die letzten verbleibenden Skeptiker zu überzeugen: Jenseits des Musikalischen überzeugt das Pedal mit einem einzigartigen gestalterischen Kunstgriff, dem zentral eingebautem, immer freundlich leuchtenden Lächeln. Diese simple wie wohltuende Anordnung der roten Kontrollleuchten dürfte meiner Meinung nach gerne kopiert werden, denn positiver kann eine Beziehung kaum beginnen 🙂

Ach ja, wer sich jetzt noch wundert, dass hier ein Drummer so leidenschaftlich über Delayeffekte und Tretminen ins Schwärmen gerät, über Geräte schreibt, die doch eigentlich dem Gitarren-Sektor oder Mixprozessen im Tonstudio zuzuordnen sind, den kann ich direkt beruhigen.
Beim aktiven „Echodrumming“ geht es um die Entdeckung einer neuen Komfortzone, die sich spielerisch erschließen lässt. Denn so ein elektronisches Effektgerät ist gar nicht weit von typischen „Drum Add Ons“ (wie Splashbecken, Drummer Timbale oder Samplepad) entfernt. Es ist einfach ein weiteres Zusatzteil, das sich ebenso symbiotisch integrieren lässt, aber sowohl Sound als auch Pattern des Rhythmusmachers bereichern wird. Wir Schlagzeuger brauchen auch nur drei Teile – Mikro, Delaypedal und eine verstärkte Lautsprecherbox – zum Echoglück. Und zack, agieren wir frisch und vielschichtig über den Trommelrand hinaus. 
Ich kann es immer wieder nur empfehlen, leiht euch ein Delaypedal (idealerweise mit Tap Tempo Funktion) aus und experimentiert damit.
Wer anschließend tiefer einsteigen möchte, wirft mal einen Blick ins Buch „Echodrums – Anders trommeln dank Strom & Effekten“ (Leu-Verlag, 116 Seiten, ISBN 978-3-89775-184-2). Und bestellt’s im Idealfall direkt bei mir inklusive einer Tap-Tempo-Postkarte und den besten Wünschen (25 €, auf Rechnung).

PS. Wie unter Menschen gibt es auch bei den Effektpedalen die Liebe auf den ersten Blick, meistens jedoch braucht ein neues Gerät viel miteinander verbrachte Zeit, um all die in ihm schlummernden Edelsteine freizulegen und im musikalischen Kontext funkeln zu lassen…

Doch irgendwann hat man seine(n) idealen Partner gefunden, quasi erweiterte Sprachrohre, verdichtende Klangspiegel, beflügelnde Gegenpole, die – wie in meinem Fall das Boss Space Echo – direkt mit der Person und dem Schlagzeug verschmelzen und den musikalischen Ausdruck mitgestalten. Dann löst sich der wehmütige Rückblick aufs verflossene Instrumentarium in angenehmer Erinnerung an die Reisebegleitung auf und man stellt zufrieden fest: 
bin teilweise angekommen!

Layering im Rock

Februar 2, 2020

Eigentlich wollte ich meinen Schülern nur schreiben, dass sich die Idee der musikalisch platzierten Rhythmus-Schichten („Layer“) locker vom Dancefloor auch auf andere Genres übertragen lässt…

The Police

Next to you“ war immer schon mein Police-Favorit. Ein einzigartige Kombi aus Punk und Eleganz, radiotauglich. Und dann noch Stewart Copeland, bei ihm passt für mich alles – von der Optik bis zur Trommel-Attitüde. Und sein stets nach vorne gebeugte Timing, dass nicht hektisch oder zickig wirkt, sondern eher nach:
dringend was machen, ein Energiepaket übergeben…

Vorhin fiel mir aber noch ein anderes Detail auf: Wenn man sich mal analytisch auf das Beat-Design des Songs einlässt, wird bestimmt auch ein Layer um Layer schichtender Programmierer der DJ-Kultur anerkennend nicken:

– klares Snare-Signal zum Einstieg
– Intro reduziert auf Toms und Snare
– für den Vers kommt die Hihat hinzu, kümmert sich um Puls und Drive.
– Stop bzw. Drum-Mute bevor man zum nächste Level wechselt:
– im Refrain dann Ridebecken, dessen Glocke und Crashes, höhere Frequenzen und Synkopen zur weiteren Steigerung…

 

Pop Art?

Juni 21, 2018

Schumann & Bach sind nicht nur die Nachnamen zweier zeitgenössischer! Pianisten, sondern auch deren tolles Berliner Tonstudio, dem ich heute einen Kurzbesuch abgestattet habe.
Wir hatten uns neulich erst kennengelernt, aber kaum im Gespräch, werden ruckzuck einige Kreise geschlossen.:

– Arne und Joseph lernten sich 1998 in Jens Kuphals Nucleus Studio kennen; Arnes erstes Projekt dort: der vom Stuttgarter Peter Hoff produzierte Bürger Lars Dietrich. Jenes Projekt, dass auch mir erste Erfahrungen im Pop-Bizz bescherte. Vermutlich sind wir uns dann sogar auf dem 98er Nucleus Festival im Columbia Fritz über den Weg gelaufen.

– Bei Schumann & Bach wurden schon viele tolle Produktionen realisiert, unter anderem Studnitzkys „Egis“, das Album mit dem sensationellen, von Stefan Leisering programmierten Drumsolo:

– im Studio selbst steht ein altes Ludwig Kit von Tim Lorenz. Ihn habe ich als Udo-Vertretung beim Popkurs kennen- und schätzen gelernt. Nachwievor für mich einer der interessantesten deutschen Trommler!

– dass ich dann auf dem Produziertisch noch eine seltene Perle der e-Beats Literatur  entdeckte – 260 Drum Machine Patterns von Rene-Pierre Bardet (1987), war unumstösslich klar: der heutige Tag beginnt vielversprechend!

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PS. Anfang der Woche bei der Aufnahmeprüfung einer Komposition von Casey Cangelosi abgeschaut, gleich ausprobiert und für gut befunden, der Soft-Clap. Dabei werden beide Trommelstöcke locker von einer Hand gehalten und auf den Teller der anderen gehauen.