Mein Motorroller-Kaffee-Kuchen-Freund Michael Kersting ist ja eigentlich ein wandelndes Musiklexikon. Sprich, wenn von ihm eine musikhistorische Fachfrage kommt, wird mein Ehrgeiz und Forschungs-Feuer direkt angefacht. Und genau das passierte beim letztjährigen X-Jazz-Festival, als er davon erzählte, dass Thomas Stabenow sich mit Studierenden der Mannheimer Musikhochschule auf die Suche nach dem Ursprung der Beckenglocken-Offbeat-Grooves gemacht hätten. Klar, dass dabei die oder der „Allererste“ kaum auszumachen bzw. weniger spannend sei, als festzustellen, ab wann sich diese Spielart als selbstverständlicher Rhythmusbaustein unter Trommlern etabliert hat.
Für Michael beginnt die Klischee-Werdung mit einem Titel vom Mahavishnu Orchestra. Daraufhin wurde mächtig gebrainstormed, gemailt, gehört, schließlich der Meister selbst angeschrieben und nachdem Cobhams Antwortmail am Weihnachtsabend eintrudelte konnte ich mein Resüme zusammenschreiben, welches sich nun in der aktuellen Ausgabe des drums & percussion Magazins nachlesen lässt.
>>Am Ende einer Periode, am Ende einer der üblichen, meist standardisierten Taktmengen hören alle Instrumente auf zu spielen und überlassen den frei gewordenen Raum dem Schlagzeug – oder den Programmen und Instrumenten, die an seine Stelle getreten sind.<<
>>Während es so fließt, geht beim Break eine Tür auf und der Hörer befindet sich in einem ganz leeren weißen Raum. Dieser Raum wird jetzt aber so schnell so voll gepackt wie möglich. Es ist, als wüsste man nicht, dass der stille, leere, beunruhigende Raum wieder in das Zeitkontinuum aufgelöst wird und das Leben weitergeht. Es gilt, sich der Todesdrohung des nicht weitergehenden Grooves, des plötzlich sich auftuenden Lochs fehlender Herzschläge zu stellen. Das können aber nur der Schlagzeuger oder mehrere Schlagzeuger und Perkussionisten – die Spezialisten für Schläge, für zu findende und ausbleibende.<< „Über Pop Musik“ (Kiwi 2014, Seite 328f)
Tim & Barry fordern in ihren „Beat This“ Filmchen unterschiedlichste Produzenten heraus, innerhalb von 10 Minuten einen Track aus dem Nichts zu erstellen.
Mein erster Impuls: Was für eine seltsam unmusikalische Sportveranstaltung. Produzieren im Zeitkorsett – wozu?
Aber beim Anschauen ändert sich meine Beurteilung, geben doch alle Teilnehmer einen tiefen Einblick in die Essenz ihrer Produktionsweise. Gedanklich spitze ich die „Beat This“ Idee weiter zu und lande schließlich beim Ideal der Echtzeitkomposition, dem ad hoc Solo mit Songqualität.
Fazit: Ich sehe die „Beat This“ Game Show als Aufforderung, meine Produktions-Mittel und -Arbeitsweisen so zu gestalten, dass ich mit ihnen jammen kann, als wären sie ein vertrautes Instrument…
Ein Klangband in Bezug auf das Festivalmotto („Das Material des Anderen im Eigenen“) und das Thema Referenzialität – natürlich auch ein Ausschnitt meiner persönlichen Antriebe.
Den Rahmen bildet mein e-Beats ABC, das von „Null und Eins“ bis „Zitat, Zufall, Zuspieler“ stellenweise zitiert und klingend inszeniert wird.
Die detailierte Trackliste kannst du der Sprechblase entnehmen.
>>Wir haben ein Stück, da dauert es sechs Minuten, bis die Bassdrum kommt, und man denkt nie, dass die irgendwann kommt – und das ist das einfachste Prinzip von Clubmusik, aber ebne auf ganz lange ausgedehnt. Das ist eine Stelle , die immer funktioniert.<<
>>Die Stücke entstünden fast immer auf die gleiche Weise, erzählt Stanier: Ausgangspunkt sei ein Loop, der um kleine Bausteine erweitert wird, aus denen man sich ein Puzzle bastelt. Was nicht perfekt passt, wird eben wieder verworfen. Eine Arbeitsweise, die man eher von der Computermusik her kennt. »Im Prinzip funktioniert unsere Musik ja wie das Klötzchen-Schieben, nur eben handgespielt und mit richtigen Instrumenten«, bringt Stanier das Konzept Battles in einem Satz auf den Punkt.<<
aus Intro #193 Juni 2011