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Maniac

April 15, 2024

Benjamin Lebatats „Maniac“ triggerte Gedanken zur Künstlichen Intelligenz.
Der Hauptteil des Buchs widmet sich dem exzentrischen Leben und Wirken des John von Neumann (Pionier der künstlichen Intelligenz, Vordenker des Personal Computers, Erfinder der Spieltheorie, aber auch Geburtshelfer der Atombombe), der dritte Teil des Romans jedoch hat einen ganz aktuellen Bezug, der mit dem legendären Wettkampf zwischen Mensch und Maschine, dem Go-Match zwischen Lee Sedol und der (von Demis Hassabis auf den weggebrachten) KI AlphaGO beginnt, das im März 2016 über die Bühne ging.
Einst schickte IBM seinen Schachcomputer DeepBlue gegen Gari Kasparrov ins Rennen und gewann nach einer ersten Niederlage im Jahr 1997 die Revanche.
>>Die Partie entfachte wieder einmal eine Debatte darüber, wie intelligent Computer sind – und ob ihre Intelligenz die menschliche nicht irgendwann übertreffen könne.
Nur wenige Jahre später stellte sich heraus, dass Deep Blue in dieser Debatte keine allzu große Rolle spielen würde. Denn der damalige Supercomputer brauchte noch Menschen, die ihm sagten, wie er sich klug verhält. Künstliche Intelligenz heute benötigt diesen Input nicht mehr so detailliert.<<
(aus Die Zeit „Der Tag, an dem die Maschine gewann“)

Zwanzig Jahre nach DeeBlue…

>> Zuerst aber musste das Programm lernen, Menschen nachzuahmen. Hassabis und sein Team waren überzeugt, dass ein Top-Profi nur zu schlagen war, wenn sich die äußerst kreative und ein wenig mysteriöse Art und Weise, wie Menschen an Go herangehen, reproduzieren ließe. Also speisten sie aus einer Datenbank 150 000 von Top-Amateuren bestrittene Partien in ein künstliches neuronales Netzwerk ein: ein komplexes mathematisches Modell, das die Vernetzung von Neuronen in unserem Gehirn nachbildet, bestehend aus mehreren Schichten miteinander verbundener Algorithmen und jeweils so konzipiert, dass sie eine bestimmte Reihe von Mustern und Merkmalen erkennen; im Zusammenwirken schaffen sie ein gewaltiges Modell mit Millionen von Parametern, die sich gegenseitig beeinflussen und mühelos angepasst werden können, um das Verhalten des Netzwerks insgesamt zu verändern. AlphaGos erstes neuronales Netzwerk analysierte diese Zigtausenden von Partien und lernte Schritt für Schritt, die Züge, die Amateure in einer gegebenen Situation spielen würden, nachzuahmen, zu kopieren und vorauszusagen. Dieser erste, humanbasierte Datensatz ist AlphaGos »gesunder Menschenverstand«, da er in etwa dem Wissen entspricht, das man sich, wenn man das Spiel lernt, aus Büchern oder im Unterricht aneignen kann.
DeepMind nannte dieses neuronale Netzwerk Policy Network. AlphaGo konnte damit ein recht ordentliches Spiel spielen, auf menschlichem Amateurniveau, von einem echten Profi aber war das Programm noch weit entfernt. Um dort hinzugelangen, musste es diese besonderen Fähigkeiten großer Spieler ausbilden, das gesamte Brett zu sehen und ein intuitives Sensorium für den möglichen Ablauf des Spiels von einer bestimmten Position aus zu entwickeln, die menschliche Fähigkeit eben, »das Brett zu lesen«, wofür junge Spieler Jahre benötigen […] Wenn AlphaGo ein umfassenderes Verständnis des Spiels erlangen sollte, musste das Programm den Wert einer jeden Stellung auf dem Brett einschätzen lernen, musste Zug für Zug erkennen können, ob es sich auf einen Sieg zubewegte oder einer Niederlage entgegentaumelte. Doch dazu musste es gegen sich selbst antreten.<<
(„Maniac“ Seite 365f)

Es kam zum Match gegen Lee Sedol, dem damals stärksten Go Spieler der Welt, das der Computer erstaunlicherweise sehr eindeutig mit vier zu eins für sich entschied.

Trotz der erstmaligen (und sehr überraschenden) Überlegenheit des Computers zeigte sich, dass, obwohl Maschinen heute zu genialen Momenten („Move 37„) fähig sind, der Mensch kaum die Fähigkeit verloren hat, seine eigenen transzendenten Momente zu erzeugen („Hand of God Move 78„). Und es scheint, dass in den kommenden Jahren, wenn wir Menschen mit diesen Maschinen arbeiten, unsere Genialität nur im Einklang mit unseren Schöpfungen wachsen wird.
Vor allem aber: Als Musiker muss man nicht gegen einen Konkurrenten, sondern darf für ein Publikum spielen. Die Wechselwirkung hat erheblichen Einfluss auf die Performance. Und die Besonderheit des Menschseins.
Dazu Keith Jarrett:

PS. als von Neumann kurz vor seinem Tod gefragt wurde, was ein Computer oder anderer mechanischer
Organismus benötige, um zu denken und sich wie ein Mensch zu verhalten, antwortete er:
>>Er sagte, er müsse wachsen, nicht gebaut werden.
Er sagte, er müsse Sprache verstehen, lesen, schreiben, sprechen.
Und er sagte, er müsse spielen, wie ein Kind.<< („Maniac“ Seite 295f)

Schöne Gedanken, die wir fürs eigene Lernen, Lehren und Weiterkommen im Proberaum aufhängen sollten. Auch wenn wir ja eigentlivh schon Menschen sind…