Archive for the ‘Pioneer’ Category

Industrial Bleeps

September 22, 2021

Richard H. Kirk, der Voltaire Kabarettist und Bleep-Techno-Erfinder ist gestorben. So beginnt der Nachruf von Jens Balzer in der „Zeit“:

>>Sie hassten die Welt, sie hassten die Gesellschaft, sie hassten alle Kunst und auch die Musik. „Wir sind keine Musiker“, sagten Cabaret Voltaire über sich selbst, als sie 1973 in ihrer Heimatstadt Sheffield erstmals die Bühne betraten. Darum hatten sie auch keine Instrumente, jedenfalls nicht im überkommenen Sinn. Ihre Nicht-Musik bestand aus Geräuschen, die sie auf Tonbänder aufgenommen hatten und dann zu endlos sich drehenden Schlaufen verflochten und mit selbstgebauten Effektgeräten verhallten und verzerrten und manipulierten; dazu schickten sie aus einem wiederum selbstgebauten Oszillator sirrende und flirrende Sinuswellen in den Raum. Manchmal grundierten sie den Krach auch mit einem Rhythmus, etwa mit dem Geräusch eines Presslufthammers in einer Tonbandschleife. Später ließen sie auch mal eine einfache Rhythmusmaschine der Orgelfirma Farfisa vor sich hin tuckern – aber niemals wären sie auf die Idee gekommen, mit einem lebenden Schlagzeuger zusammenzuspielen. Denn wenn Cabaret Voltaire etwas noch mehr hassten als die Kunst und die Musik im Allgemeinen, dann war es die Idee der Rockband.<<

Cobham mit Pads

August 12, 2019

Durch einen Insta-Post von Gary Husband habe ich entdeckt, dass Billy Cobham sich (zumindest) in den Jahren 1996-98 auch mal ein paar e-Pads über die Rack-Tom-Reihe gehängt hat.

Bei diesem Stratus Intro-Solo wird ihnen dann ab und an auch ein Spezialeffekt entlockt:

Und Gary Husband erinnert sich vor allem an das Pistolenschuss-Sample in laut!

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Wenn man tiefer gräbt, findet sich auch folgender Abschnitt des musicradar Artikels „Billy Cobham on his stellar ’70s solo run and gear evolution“:

>>Inner Conflicts, the last of the studio albums for Atlantic, saw Cobham incorporate electronic percussion into his kit. „Yeah, but that wasn’t the first time I used it,“ he says. „The first time I used electronic percussion was in 1968 with a company called Meazzi. They had electronic drums in Italy [Tronicdrum], it worked out pretty nice but it’s not the same. It was just the very beginning, not only me but Jack DeJohnette, Max Roach and Tony [Williams], they approached the four of us. I went with the electric set, a set that you would never see go on a plane anymore.
„It came with a speaker cabinet as big as a door, we put a big bonnet-hat square case over it. It never broke down. It was so poorly made. That was the beginning of it. It all sounded like ‚pew, pew, pew‘ or ‚dat, dat, dat‘. Even the bass drum. There were no different sounds. You had four buttons but they all sounded like ‚dat, dat, dat‘.“<<

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via http://www.drumarchive.com/Hollywood/

Auch in die Entwicklung der Tama E-Drums wurde er wohl mit einbezogen, wie es vor 40 Jahren im Modern Drummer Mag zu lesen war (>>I have something in the works with Tama but nothing to really talk about at this point.<<)

Wendel

Januar 13, 2017

>>“We started using sequencing and stuff on [Steely Dan’s] Gaucho,“ replies Fagen, „out of desperation really. We were having trouble laying down ‚Hey Nineteen‘. We tried it with two different bands and it still didn’t work, so one of us said something like ‚It’s too bad that we can’t get a machine to play the beat we want, with full-frequency drum sounds, and to be able to move the snare drum and kick drum around independently.‘ Roger [Nichols] replied ‚I can do that.‘ This was back in 1978 or something, so we said ‚You can do that???‘ To which he said ‚Yes, all I need is $150,000.‘ So we gave him the money out of our recording budget, and six weeks later he came in with this machine and that is how it all started.“<< [Donald Fagen in SoundOnSound, 2006]

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So beginnt vor knapp vierzig Jahren die Geschichte des Wendel, dem ersten digitalen Drum-Replacement-Tool.

Robert Nichols: >>We found that there were certain feels that we couldn’t get out of real drummers — they weren’t steady enough. So we had to design something that would do it perfectly, but with some human feeling, the right amount of layback. Instead of just one high-hat sound that repeats machine-like over and over, we had sixteen different ones, so it had the inflections. Wendel can play exactly what the drummer plays — if he plays a little early or a little hard, Wendel plays it a little early or a little hard. Play it once, Wendel memorizes the song, then you play it again and it repeats what it hears.<< [1993, Quelle]

Hier noch ein Spruch aus der Bedienungsanleitung des weiterentwickelten Wendel Jr. (1984):
>>WENDELjr is NOT another drum machine. WENDELjr is a state of the art, digital, percussion sound replacement device. That is, the basic function is to replace the horrible drum sounds produced by any ‚drum machine‘, and replace drum sounds already recorded on tape, whether they were produced by a machine or a real drummer.

There is no need to use pre-delayed triggers with WENDELjr’s trigger input. The trigger response time is so quick (total trigger delay does not exceed 32 microseconds), that in many cases the new drum sound may appear as if it were happening early. In addition to the ultra- fast triggering, the drum sound can be tuned over a 2 octave range from the front panel control.<<

Dennoch schlußfolgerte Mr. Fagen in oben erwähnten Interview:
>> It took so long. It got a little better during The Nightfly, but it was so horrible, I have tried to figure out how to get out of sampling ever since.“<<

Filmwinter / Winter wie im Film

Januar 18, 2016

Eigentlich immer ähnlich: Nach einem intensiven Wochenende am Sonntagabend erschöpft in die Badewanne fallen, um maximal noch etwas im momentanen Lieblingsbuch blättern, doch zzzzong! trifft und weckt mich der Kreativ-Flash des Vorangegangenen und drängt darauf, all die vielen Eindrücken doch noch festzuhalten.

Also. Peter Wölpl und ich wurden erneut zum Stuttgarter Filmwinter eingeladen um tonlose Filme zu bespielen. Gutes Omen, denn die erste Einladung im Jahr 2014 markiert den Beginn der W)-Konzerte. Damals improvisierten wir zu uns unbekannten Dreifachprojektionen von Wilhelm Hein. In diesem Jahr bekamen wir die Segundo de Chomon Filmrolle im Vorfeld, wodurch wir uns zwei Probe-Tage lang auf die filmischen Spezialeffekte und Innovationen aus den Jahren 1905-1912! einstimmen und zumindest einen groben Fahrplan erstellen konnten. Die Performance selbst dann wie immer: die beiden Ohrenpaare weit geöffnet, Rechenapparate „in sync“ und los.

Zwischen Soundcheck und Auftritt immer wieder gr0ße  Freude über das liebevoll kuratierte Programm, aber auch über Stuttgart selbst. Es war alles dabei, von der Bäckerei-Frank-Butterbrezel, über überraschend auftauchende Freunde, Familie und Vergangenheit, bis hin zu einem fetten Schneeball voller grandioser Einfälle:

Momoko Seto / HKG / Mirai Mizue? / Jung an Tagen*

Schließlich noch einige neue Wörter und Anregungen aus der mitgebrachten taz.am wochenende, die sich im Artikel „Malen nach Zahlen“ mit aktuellen Spielarten des klassischen Mäzens auseinandersetzt und fragt, was aus der Kunst wird, wenn der Künstler zum Dienstleister wird.

Netzwerkstolz statt Werkstolz / Disegno / David Hockneys iPad Bild

Und dank ausgedehnter Schlittenfahrten in der Heimat ergab sich schließlich noch ein schöner Kreis. Auch wenn es mehr ein Umfahren von Grasinseln war, bin ich nun auch im Winter angekommen.

*

Sound in Z

Oktober 29, 2015

Kreatives Versehen = immer wieder schön!
So landete beim heutigen Einkauf anstelle des Thai-Basilikums, das vietnamesische Pfefferblatt Piper Lolot in der Tasche, etwas später ich selbst dann, NICHT bei Zach Danziger, sondern im „Sound in Z“.

Andrey Smirnov hat sein Wissen über die elektroakustischen und visuellen Erfindungen aus der Sowjetunion, bzw. über eine Avantgarde, die sich massenkompatibel inszenieren musste, auch in einem Buch zusammengefasst, welches sich über Walther König ordern lässt.

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Dubmixer on Stage

August 13, 2014

Das tollste am Poliça Konzert war der Platz hinter dem rechten Boxenturm, der mir mehrere Fragezeichen bescherte. Zunächst dachte ich, es ist (der speziellen Situation im Palmengarten geschuldet) der Platz zur Lichtsteuerung, im Laufe des Konzerts wurde mir aber klar, dass dort die Vokal-Echos gemacht werden, dass da auf der Bühne ein richtiger Dub-Mischer sitzt, wie seinerzeit 1998 Mad Professor bei der Rheinkultur – zumindest ähnlich, denn der Professor saß natürlich VOR der Band (Macka B).
Später wollte ich noch dringend in Erfahrung bringen, welches Gerät sich in dem blinkenden schwarzen Kasten verbirgt:

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Beim Abbau konnte ich gerade mal einen kleinen Pioneer Schriftzug entdecken und es dauerte noch eine Weile, bis ich ein passendes Bild des EFX-1000 gefunden habe. Danach war mir auch klar warum die Delayzeit nie punktiert war:

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Ansonsten wurde (wie derzeit fast allen elektronischen Vocal-Acts) durch ein TC-Helicon Bodentreter (Voicelive) gesungen. Und die beiden Schlagzeuger (Drew Christopherson, Ben Ivascu) haben angenehm ausgecheckt harmoniert.

 

The Tags Tapes

Dezember 2, 2012

THE TAGS TAPES

Passend zum Knistern der ersten Adventskerze hier eine halbe Stunde Musik, die ich anlässlich des „Neue Töne Open“ Festivals zusammengeklebt habe.

Ein Klangband in Bezug auf das Festivalmotto („Das Material des Anderen im Eigenen“) und das Thema Referenzialität – natürlich auch ein Ausschnitt meiner persönlichen Antriebe.

Den Rahmen bildet mein e-Beats ABC, das von „Null und Eins“ bis „Zitat, Zufall, Zuspieler“ stellenweise zitiert und klingend inszeniert wird.

Die detailierte Trackliste kannst du der Sprechblase entnehmen.

Patrick Gleeson

Juni 8, 2011

Christoph Wagner hat sich für den Schwarzwälder-Boten (04.06.11) auf Zeitreise begeben. In seiner Synthesizer-Geschichte entdecke ich Patrick Gleeson.

Erst Pioneer, dann Strom-Sideman für diverse hochkarätige Jazzer à Hancock & Henderson, verschiedene Solopfade und schließlich Produzent. >>Die Elektronik ist beim ihm kein Kunstgriff sondern integraler Bestandteil der Musik.<<

 

Eddie Henderson: Scorpio Libra (Realization, 1973):

Herbie Hancock „Rain Dance“ (Sextant, 1973)
Charles Earland „Leavin this Planet“ (1974)

In the Bottle

Mai 30, 2011

Lese gerade den Nachruf auf Gil Scott-Heron und erinnere mich an drei seiner Tonträger:

„Winter in America“ (ein wunderschön rundes Album, war mein Erstkontakt irgendwann Mitte der 90er)

„In the Bottle“ (die Version von C.O.D. verdeutlicht die dir Spielart Electro und die Ästhetik der 808) 1983

„Home is where the Hatred is“ (entdeckte ich auf einem Theo Parrish DJ Set. Das hancockeske Piano-Solo haute mich um) 1976

>>Scott-Heron ist ein Vorläufer des Rap, er ist auch das Bindeglied zwischen dem Musiker der Siebziger und dem Produzenten und DJ heutiger Zeit.<<

abschotten

Februar 4, 2011

>>Seit den frühen Sechzigern habe ich einen Masterplan, die Vision von einer neuen Musik. Und ich habe mein Soll noch nicht erfüllt. Darum habe ich keine Zeit, mich um die Außenwelt zu kümmern. Außerdem habe ich viel zu viel Angst davor, mich durch andere musikalische Einflüsse von meinem Weg abbringen zu lassen.<<
Morton Subotnick im taz-Artikel

>>Ich glaube, ich ziehe aus meiner schwachen Sehkraft Nutzen. Seit Jahren bin ich außerstande, die Werke anderer Denker zu lesen. Darum kann ich vollkommen unbehelligt von jenen anderen meinen eigenen Gedanken folgen. Geistig habe ich vom eigenen Fette zehren müssen. Und das war wohl recht so; vielleicht konnte ich nur vermöge dessen ein redlicher Philosoph werden. Ich schreibe einzig über Dinge, die ich kenne. Ich schreibe mit meinem Blute […]<<
aus Irvin D. Yalom „Und Nietzsche weinte“ Seite 142