totale Freiheit / Echtzeit-Komposition

Was für ein geschmeidiger Übergang – oder gar ’ne Pianorolle? – vom letzten Beitrag (Nils Frahm) über das „poppige“ Solo Konzert von Brad Mehldau aus Vienne, hinzu meinem gestrigen Konzerterlebnis: Mehlina beim Enjoy Jazz Festival in Heidelberg!

Schon vor dem Konzertbeginn hört das Auge diverse Änderungen im Setup: Brad tauschte die analogen Flächen des Vintage-Juno-Synths gegen einen Prophet ’08 und macht die Bässe nun vornehmlich mit einem Moog. Mark Guiliana hat drei Hihats und drei Ride-oder Crash-bare Bleche, sowie zwei Snaredrums (eine davon in Chris Dave tiefer Manier gestimmt) im Gebinde (siehe FB Foto). Seine Elektronik besteht aus einem Roland SPD-SX und einem Korg Kaoss-Pad. Später sehe ich dann noch verschiedene Auflagen für die Snare (Schellen, dämpfendes Fell ohne Kragen). Als Schlagmaterial kommen nur Stöcke zum Einsatz.

Ich interessiere mich ja sehr für die Duo-Konstellation von Schlagzeuger, eingebundener Elektronik und zweiter Person – lote seit geraumer Zeit selbst mit verschiedenen Partner (Peter Wölpl, Jo Brecht, Jörg Koch, K. L. Theinert) dieses Spannungsfeld aus. Und so schreibe ich mir gleich ein paar Anregungen in mein öffentliches Notizbuch:
– lang (ewig?) klingende, analoge Basstöne (übrigens toll bei den Prophet-Sounds: sie entwickeln sich/morphen aussergewöhnlich lange). Könnte ich doch mit meinem Alpha-Juno auch realisieren. Kann man eigentlich anstelle des Haltepedals auch ein An/Aus-Schalter anschliessen? – ja, gecheckt, geht – dann werde ich rechts vom Hihat-Pedal gerne einen solchen Schalter für lang gehaltene Bass-Pedale ins Setup aufnehmen.
– für tolle Akkorde (Synth-Pads) werde ich nach wie vor auf die „Chord Memorize“ Funktion vertrauen…
– sinnvoll und Spannungsbogen-tauglich, dass beide Spieler nicht in jedem Song alle zu Verfügung stehenden Instrumente/Sounds verwenden, sondern deren Einsatz wohl überlegt platzieren – so kommt das Duo locker auf eine eineinhalbstündige Konzertlänge, ohne das klangliche Langweile entsteht.
– Mark G. zieht die e-Drum-Option eher selten; mal für eine kittende Hintergrund-Atmo, mal für kompositorisch passende tonale Perkussion und einmal begleitet er den kompletten Song mit dem SPD-SX.
– Auch der Echoeffekt wird sparsam dosiert: manchmal Groove schaffend auf dem Fender Rhodes, manchmal via Kaoss-Pad als Textur.
– cool und geschickt („drummer friendly“), dass sich das X/Y Touchdisplay des Kaoss-Pads auch mit dem Holzstock wischen lässt – hat Mark G. zumindest teilweise so gehandhabt.
– einzige kleine Verwunderung: dass das Abschalten der Snare-Teppiche in den trommelfreien Passagen nicht entlang des Arrangements und so punktgenau wie Marks sonstiges Schlagzeugspiel passiert, sondern (wenn überhaupt) irgendwo mittendrin. Nicht, dass ich mitraschelnde Teppich schlimm fände – im Gegenteil, sie erzeugen einen eigenen, speziellen Groove, der sogar manchmal für sich sprechen darf/kann – aber ich habe das Gefühl, dass den meisten Trommlern überhaupt nicht bewußt ist, wie laut die durch Lautsprecher (Amps oder Monitorboxen) angeregten Schnarren „draußen“ zu hören sind (zumal das Rascheln ja ebenso mit den Snare- und Overheadmikros abgenommen und verstärkt wird) und oftmals die Musik stören.

Es war jedenfalls ein eindrucksvoller Abend, mit zwei Musikerpersönlichkeiten, die sich blind verstehen, den kompositorischen Überbau im Rückenmark haben und dadurch die Musik immer zum fliessen bringen, egal wie krumm die zugrundeliegende Taktart ist.
Sie spielen noch am Sonntag 24.11., in Hamburg/Mojo Club und am 29.11. im Moods in Zürich (inkl. Schlagzeug Workshop von 14-16h, Anmeldung via Email). Ich würde gleich nochmal mitkommen.

Übrigens wird am 21. Januar das erste Album des Duos veröffentlicht, „Taming the Dragon„. Als Teaser stellt das Label Nonesuch schon mal „The Hungry Ghost“ ins Netz.

3 Antworten to “totale Freiheit / Echtzeit-Komposition”

  1. Taming the Little Dragon | E-BEATS Says:

    […] erscheint das Debüt Album von “Mehliana“, Titel: “Tamina the Dragon” (gibt es bei CD WOW derzeit für 10.99 inkl. […]

  2. The “Was sind e-Beats” Tape | E-BEATS Says:

    […] “Tr. 3 Bottom Fly Beats 2007″ 2007 Clever Austin “Away Headshell Part 3″ Mehliana “You can’t go back now” 2014 The Beastie Boys “3 MCs & 1 DJ […]

  3. on the fly electronics (from the drum throne) | E-BEATS Says:

    […] (z.B. Housey Hi-String-Pedal (bleibt dank Hold-Funktion so lange stehen wie es Dir beliebt à la Mehliana) – Hitting MPC alike Pads/Samples – Playing back tonal & Ambient […]

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..