Equipment Talk(s) – ein 19 Zoll Gespräch der fantastischen Art. Oder halt: Ode an das Boss Space Echo

Ich glaube es war der Instagram Post von Stewart Copeland, ein kurzer Konzertausschnitt mit ihm und Stanley Clarke, der mich an das Album „If this bass could only talk“ erinnern ließ. Jene CD, die in den Neunziger gefühlt von jedem zweiten Tontechniker zur Einstellung der PA eingelegt wurde. Normalerweise krame ich nach einem solchem Wink direkt das erwähnte Werk hervor und erfreue mich an gehörter Nostalgie und schönen Erinnerungen. Erst recht, wenn der einzige Albumtitel mit dem Police Drummer „Stories to tell“ heißt und Allan Holdsworth darüber soliert. Doch diesmal war der bloße Titel stärker und ließ meine Gedanken in völliger Stille über Clarkes gehegtem Wunsch kreisen.
„If this instrument could only talk“.
Gut, ich beschäftigte mich an diesem Abend ohnehin schon mental mit „special gear“, denn das Internet spülte mir zufällig den zum Verkauf angebotenen DX-7 von Prince entgegen für das Echodrums Buch mussten eben noch jene Passage korrigiert werden, in der ich insgeheim meinen verflossenen Delaymaschinen nachtrauerte. Prompt gingen mir all jene Geschichten durch den Kopf, die in diesem Abschnitt keinen Platz mehr fanden: Was war der eigentliche Kaufgrund für dieses oder jenes Gerät, aber warum musste es, bzw. wohin durfte es ziehen? Aus welchem Grund hingegen durfte ein anderer Effekt bleiben? (Konnten wir vielleicht „besser miteinander sprechen““??)


Rückblickend lässt sich doch in jedem Pedal das Besondere finden, einen überraschenden, gar überzeugenden „Ghost in the Machine“ entdecken. Manches Equipment hat aufgrund seines hohen Alters oder seiner speziellen Herkunft musikgeschichtliche Relevanz, entlockt durch seinen Musikhaus-Sticker mit vierstelliger Postleitzahl ein Lächeln oder wühlt eine ganz persönliche Beziehungsgeschichte wieder auf. Gelegentlich sind noch die vom Vorbesitzer mehr oder weniger liebevoll gestalteten Einstellhilfen sichtbar, bunte Klebepunkte, klebrige Gaffa-Reste oder permanent markierte Striche für den persönlichen Best-Sound, fürs Optimum. In seltenen Fällen findet man gar im Inneren einer Maschine eine versteckte Botschaft, einen leidenschaftlichen Gruß an all diejenigen, die tief genug graben. Wie beispielsweise im Reverbtank des Roland Space Echo, wo auf dem Labelsticker zu lesen ist »Manufactured by beautiful girls in Milton, Wis. Under controlled atmosphere conditions«. 

Anyway, man behält nicht alles – Präferenzen werden abgewogen, Entscheidungen getroffen. An besagtem Abend entstand jedenfalls die traumhafte Vorstellung, dass eine ehemalige Instrumenten-Bekanntschaft über sein bewegtes Leben berichten könnte und noch einmal, inklusive seines derzeitigen Herrchens, zum gemeinsamen Jam zurückkehren würde.

Oh yeah! In meinem Fall müsste sich Blixa Bargeld mit meinem (alten) Lexicon JamMan Looper einfinden, der fantastische And.Ypsilon könnte mit dem Korg SDD-1000 dubben und Henrik Schwarz durch den Electrix MO-FX einen clubtauglichen Spannungsbogen formen. Ich würde dazu auf dem aquamarinblauen Tama Superstar 50 +1 Schlagzeug spielen – mein bisher schönstes Drumkit, das ich aber wegen eines monetären Engpasses aufgrund einer Tourabsage an den ursprünglichen Besitzer zurückverkauft hatte. Selbstverständlich würden komplett alle Kessel aufgebaut werden: 22, 12, 13, 14, 16, 18. Meine Wenigkeit, wie Lenny White mit Hut, stolz dahinter sitzen. Für diesen einmaligen Anlass hätte ich zudem all meinen Mut zusammengenommen und Neil Fraser kontaktiert, ob der Mad Professor vorbeikommen und meine Drumtracks mit seinem Roland SDE-3000 veredeln könnte – schließlich hatte ich diesen 19 Zoll Streifen einst angeschafft, weil es das ausgesprochene Lieblingsgerät des Dubmeisters ist. Spätestens dann wäre auch Pit Baumgartner (das DePhazz Oberhaupt) mit dem Vestax FDG-1 Kill Equalizer zur Stelle. Bestimmt auch Don Philippe vom Freundeskreis, um mal wieder sein altes Simmons SDS-V aus der Reserve zu locken. Zu guter Letzt würde ich den Krautrock Phaser (Schulte Compact Phasing A) von Dieter Seelow aufstellen – dessen Anwesenheit allein schon wegen der schicken roten Kontrollleuchte und der verströmten Studiowärme Sinn macht. 
Im Anschluß an die Session dürften meine Neumannstäbchen (KM85) und das Acousta-Pult (P100B) noch etwas aus dem Nähkästchen ihrer Fernsehvergangenheit plaudern (sie kamen ja vom ZDF bzw. aus dem ORF) und wenn all die Gäste schließlich ihren Heimweg angetreten hätten, gäbe es noch einen kurzen Anruf im Ludwigsburger Trommelmuseum, um sich nach dem Befinden von E-MU SP-1200 und Dr. Pad zu erkundigen. 

Schwer, sich aus solch angenehmen Nostalgiebad zu erheben, doppelt schwer, sich erneut von den ehemaligen klangmachenden Mitbewohnern zu verabschieden – seufz – aber hey, ursprünglich waren ja die liebgewonnen Delaymaschinen der Ausgangspunkt für diese Träumerei. Also soll auch dieser Erzählstrang zu Ende gebracht werden. 

Es kamen und gingen die Boutiquepedale, Top-Produkte gaben sich die Klinke in die Hand, nicht selten wurde (vermeintlich) heiligen Gralen hinterhergejagt, die dann um die halbe Welt geschippert werden mussten, dafür aber komplett (mit nach Keller riechender Originalverpackung) ausgestattet bei mir ankamen und dennoch oftmals meine in sie projizierten Erwartungen nicht erfüllen konnten. Neben all diesem Hin- und Her, einer Mischung aus rastlos neugierigem Testen und etwas aus dem Ruder gelaufener Gear-Mania, konnten sich tatsächlich zwei Kandidaten von der Stange behaupten, die mich nun seit einer gefühlten Ewigkeit begleiten – genau so, wie es sich für „das richtige Instrument“ gehört. 
Da wäre einmal das grasgrüne DL4 von Line 6, das ich zur Jahrtausendwende auf dem Schlagzeugteppich begrüßte. Eine große Digital-Kiste, randvoll mit geschmackvollen Presets (die alle gängigen Echotypen simulieren), drei hilfreichen Speicherplätzen und sehr musikalischer Interaktion von Delay-Time Poti und Wiederholungsregler. Zudem lassen sich die beiden Ein- und Ausgänge des Pedals als separate Mono-Kanäle verwenden, was mir den gleichzeitigen Live-Dub meines Schlagzeugs und einer weiteren Schallquelle, beispielsweise der Sängerin, ermöglichte. Mein „Delay Modeler“ wurde mehrfach modifiziert (Volume and Tone Mod, 2nd Preset Mod, High End Switch Mod), öfters auch professionell repariert (da vor allem der wichtige Tap Tempo Taster meiner Beanspruchung nicht dauerhaft stand hielt). 

Ein solcher Kuraufenthalt war der Anlass, dass ich mich im Jahr 2007 nach Alternativen umschauen wollte, daraufhin ein Boss RE-20 ins Haus holte, jenen digitalen Klon des gefeierten Roland Bandechos (Space Echo RE-201). 
Letztlich eine folgenschwere Aktion, denn dieses Pedal sollte sich über die Jahre zu meiner Nummer 1 entwickeln. Seit 2014 ist es tatsächlichlich, zusammen mit einem klemmbaren Sennheiser e604 Mikro und der Boss AB2 Box, gesetztes Handgepäckstück und bei jeder musikalischen Unternehmung mit dabei. 
Dabei gestaltete sich unser gemeinsamer Start äußerst zäh und holprig. Die Rahmenbedingungen waren eigentlich optimal – das Boss Pedal kann ebenso mit einer perfekten „2x Mono-Verkabelung“ punkten, auf Wunsch gar zwei getrennte Eingangssignale in einem einzigen, monophonen Ausgang vereinen, hat einen unkaputtbaren und tight übermittelnden Tap Taster, zusätzlich EQ und Hall mit an Board -, aber anfänglich kam ich mit der dem Original geschuldeten Gemütlichkeit bei Delaytempo-Verdrehungen überhaupt nicht zurecht – sie gestalteten sich komplett anders im Vergleich zum gewohnten DL4 und dämpften meine Euphorie gehörig. Nüchtern betrachtet ist dieser Umstand nicht verwunderlich, denn die beiden Tretminen bedienen unterschiedliche Konzepte. Die Line6 Stompbox will als Allrounder digitale, analoge und mechanische Echogeräte abdecken, wohingegen sich das RE-20 nur dem letztgenannten Delaytyp, dem Bandecho verschreibt, sich dabei auf ein konkretes Vorbild spezialisiert. Dennoch wurden immer wieder neue Anläufe mit den gewohnten Workflows gestartet und immer wieder mit leichter Enttäuschung quittiert, bis ich irgendwann endlich kapiert hatte, einen anderen Zugang zu der Maschine finden zu müssen. Auch wenn die krass verdrehten und zurückgetappten Rave-Signale des grünen Echos letztlich nie kopiert werden konnten, entdeckte ich diverse Besonderheiten und Vorzüge des kompakten Space Echos: Beispielsweise den simulierten Federhall, der sich ganz einfach zum Echosignal dazu drehen lässt, aber auch einzeln einsetzen lässt, bei viel Input-Gain zudem ein Sonar-Sound erzeugt, der dich direkt ins Triphop Bristol der Neunziger Jahre katapultiert. Desweiteren ein immer griffbereiter 2-Band Entzerrer (Equalizer), dank dem ich, trotz nur einem an der Snare befestigten FX-Mikrofons, wahlweise den Echoschwerpunkt auf Hihat, Snare oder Kickdrum ausrichten kann. Es gibt die „Twist“ Option, ein Gimmick, das man vielleicht nicht überstrapazieren sollte, das mir aber ab und an als One-Touch-Knob hilfreich entgegenkommt – bei gehaltener Tap Taste wird automatisch die Intensität des Feedbacks erhöht, gleichzeitig die Delaygeschwindigkeit verändert und die Ausgangslautstärke etwas heruntergeregelt. Und es gibt den Mode Selector, der sich durch gezieltes Verdrehen ebenfalls zum Musikmachen eignet. Die Boss-Kiste ist unglaublich robust – hier war noch keine Wartung nötig – und selbst wenn das passende Netzteil (öfter) mal die Anreise nicht überlebte, war dank der Batteriebetrieb-Option kein einziger Konzertabend in Gefahr. 

Um an dieser Stelle die letzten verbleibenden Skeptiker zu überzeugen: Jenseits des Musikalischen überzeugt das Pedal mit einem einzigartigen gestalterischen Kunstgriff, dem zentral eingebautem, immer freundlich leuchtenden Lächeln. Diese simple wie wohltuende Anordnung der roten Kontrollleuchten dürfte meiner Meinung nach gerne kopiert werden, denn positiver kann eine Beziehung kaum beginnen 🙂

Ach ja, wer sich jetzt noch wundert, dass hier ein Drummer so leidenschaftlich über Delayeffekte und Tretminen ins Schwärmen gerät, über Geräte schreibt, die doch eigentlich dem Gitarren-Sektor oder Mixprozessen im Tonstudio zuzuordnen sind, den kann ich direkt beruhigen.
Beim aktiven „Echodrumming“ geht es um die Entdeckung einer neuen Komfortzone, die sich spielerisch erschließen lässt. Denn so ein elektronisches Effektgerät ist gar nicht weit von typischen „Drum Add Ons“ (wie Splashbecken, Drummer Timbale oder Samplepad) entfernt. Es ist einfach ein weiteres Zusatzteil, das sich ebenso symbiotisch integrieren lässt, aber sowohl Sound als auch Pattern des Rhythmusmachers bereichern wird. Wir Schlagzeuger brauchen auch nur drei Teile – Mikro, Delaypedal und eine verstärkte Lautsprecherbox – zum Echoglück. Und zack, agieren wir frisch und vielschichtig über den Trommelrand hinaus. 
Ich kann es immer wieder nur empfehlen, leiht euch ein Delaypedal (idealerweise mit Tap Tempo Funktion) aus und experimentiert damit.
Wer anschließend tiefer einsteigen möchte, wirft mal einen Blick ins Buch „Echodrums – Anders trommeln dank Strom & Effekten“ (Leu-Verlag, 116 Seiten, ISBN 978-3-89775-184-2). Und bestellt’s im Idealfall direkt bei mir inklusive einer Tap-Tempo-Postkarte und den besten Wünschen (25 €, auf Rechnung).

PS. Wie unter Menschen gibt es auch bei den Effektpedalen die Liebe auf den ersten Blick, meistens jedoch braucht ein neues Gerät viel miteinander verbrachte Zeit, um all die in ihm schlummernden Edelsteine freizulegen und im musikalischen Kontext funkeln zu lassen…

Doch irgendwann hat man seine(n) idealen Partner gefunden, quasi erweiterte Sprachrohre, verdichtende Klangspiegel, beflügelnde Gegenpole, die – wie in meinem Fall das Boss Space Echo – direkt mit der Person und dem Schlagzeug verschmelzen und den musikalischen Ausdruck mitgestalten. Dann löst sich der wehmütige Rückblick aufs verflossene Instrumentarium in angenehmer Erinnerung an die Reisebegleitung auf und man stellt zufrieden fest: 
bin teilweise angekommen!

7 Antworten to “Equipment Talk(s) – ein 19 Zoll Gespräch der fantastischen Art. Oder halt: Ode an das Boss Space Echo”

  1. Einmal Drums mit alles | E-BEATS Says:

    […] DAS ToolEasy! Ein Delaypedal mit Tap-Tempo Funktion, beispielsweise das Boss RE-204. DER LieblingsdrummerBilly Cobham5. EINE EmpfehlungPopkurs in […]

  2. Glue, Interaction & Big Fun! | E-BEATS Says:

    […] sie dann zum Echogerät. Habe ich ein Effektpedal mit zwei trennbaren Ein-und Ausgängen (wie Boss RE-20 oder Line6 DL4) brauche ich kein zusätzliches Mischpult, sondern hänge je einen Aux-Send-Workaround vor die […]

  3. Als dritter Plattenspieler am See | E-BEATS Says:

    […] am Rande: die TTR-Tour 2001 war die erste große Reise, auf die ich ein Echogerät mitnahm: das Line6 DL-4 veredelte die Simmons-Tom-Fills (die im Studio mit der Syncussion/Vermona DRM-1 erzeugt, beim Gig […]

  4. anxious, amped, timorous, excited, scared & hyped | E-BEATS Says:

    […] Space Echo Klon im Standartformat an. Was den großen Bruder angeht, so habe ich lange mit dem RE-20 gehadert, es irgendwann notgedrungen intensiv genutzt, darufhin […]

  5. Live Elektronik | E-BEATS Says:

    […] Presets des Golden Reverberator oder mittels Send-Button (des Switcheroos von Karsten Rohrbach) ins Echogerät (wo natürlich auch noch mein Drumset anliegen wird) geschickt. Da ich auch noch das kleine […]

  6. Percussion, kreativ! | E-BEATS Says:

    […] Snare, dessen Signal via AB-Box (quasi dem per linkem Hackentrick bedienbaren On/Off-Schalter) ins Boss RE-20 Space Echo geschickt und dort dank Tap Tempo zum Beat synkronisiert […]

  7. HfDMK Bandcamp | E-BEATS Says:

    […] Schlagmaterialien (Besen, Rods, Filzschlägeln).– und dann natürlich noch mein Echogerät (Boss RE-20), langzeit-Reisebegleiter seit über 20 Jahren. Lag auf der Hand, einmal, weil das dazugehörige […]

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