Kaffeesatz lesen

Habe heute mal wieder unsere Netzer-„Zeitraffer“-Version des Underworld-Hits „Cups“ gehört und bemerkt, dass ich damit einige typische elektronische Produktionsweisen erläutern kann:

– Der Track beginnt mit einer Verschleierung der „eins“, ein Kunstgriff den Mr. Butler als „turn the beat around“ (tba) in die Musikanalyse eingeführt hat. In diesem Fall erzeugt das eigentliche Offbeat-Hihatpattern die kleine Illusion, man würde die Viertelschläge der Nummer fühlen. [0.07-0.15′]

– Ein vollständiger Four-on-the-Floor Groove übernimmt [0.15′]. Ein interessanter Beitrag zur Lautstärkenbalance von Kick und Snare: obwohl technoid, wird die 2 und 4 sanft mit einem One-Shot-Shaker auf dem Snare-Rim geschlagen. Wird da gar ein Kompressor imitiert?

– kurzer Kick-Mute (nur eine Viertelnote lang) zum harmonischen Einstieg der Gitarre [0.30′]

– 4 Takte Kick-Mute (Aufmerksamkeit!) [0.53-1.01′] vor dem sechzehntaktigen Kontrabass-THEMA:  die Basstrommel bleibt weiterhin still, jedoch wird mit der „eins“ der Melodie ein neuer Sound, eine weitere „vertikale Rhythmusschicht„, eingeführt, ein dezent gefiltertes Snare/Hihat-Echo.
Bei der Wiederholung des Themas [1.15′] wird noch ein bis dato ungehörter Drumsound draufgesetzt, EIN Drumbal-Schlag auf 2e+a, alle zwei Takte.
In Takt 15/16 des  Themas schließlich: kompletter Groove-Mute für eineinhalb Takte, nur das auslaufende Echo deutet an, dass es weitergehen könnte…

– „dropping the Kick“ again, und mit komplett geschichtetem Rhythmus (maximale Dichte) geht es zum Endspurt [1.31-2.01′]. Zum Schluß hin wird die Spannung nach und abgebaut, der Groove wird ausgedünnt, einzelne Schichten abgetragen: erst fällt die Kick weg [2.01′], dann die One-Shot-Snaker-Snare und das Drumbal [2.17′], schließlich auch noch die Hihat [2.32′]. Zuletzt stützt nur das Echo noch den Groove…
Jedenfalls hätte nun ein DJ, frequenzmäßig und von der Klangdichte her, ordentlich Platz, um einen neuen Track darüberzulegen (-der magische „third record“ Moment würde dann für kurze Zeit eintreten)…

Last but not least: Um den Groove besonders zu gestalten wollte ich jetzt nicht unbedingt auf einem akustischen Standard-Kit trommeln. Daher habe ich in „meiner imaginären Sound-Library“ gekramt – so wie ein Bedroomproducer vielleicht eine Sampling CD bemüht hätte – und ein spezielles Sound-Set zusammengestellt: fette Main-Hihats; dünne, klickige „e-Snare“ (One-Shot-Shaker); ein höhenbetontes zweites Hihat (Drumbal auf zweiter Snare), Delay. No Ride, no Crash, no Tom!

Fazit: einziger Unterschied zum Basteln: alles Live, ohne Overdubs, dafür mit organischen Schwankungen. Und zudem drei Leute beschäftigt 🙂

3 Antworten to “Kaffeesatz lesen”

  1. Matthias Says:

    Klasse so ein Kurzlehrgang am hellichten Nachmittag!Durch was für nen Filter wird das Echo denn gejagt?

  2. Oli Says:

    Das ist ein Preset des Line6 DL-4: Sweep-Echo

  3. The “Was sind e-Beats” Tape | E-BEATS Says:

    […] 1975 Plastikman “Spastik” 1993 Silver Apples “Oscillations” 1968 Underworld “Juanita/Kiteless/Dream of Love” 1996 Photek “KJZ” 1996 Sly & The […]

Hinterlasse eine Antwort zu Oli Antwort abbrechen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..